Friedr.‑Wilh. Stroucken über die Barock-Orgel in St. Nikolaus Brüggen
Als zu Beginn des 17. Jahrhunderts ein Brüggener Kreuzherr in seiner Kirche den Blasebalg trat und sein Mitbruder die Orgel schlug, war solche Musik noch keineswegs selbstverständlich. Schließlich mussten die Gläubigen in der benachbarten Brachter Pfarrkirche immerhin noch über 80 Jahre, in der Borner Pfarrkirche gar noch mehr als zwei Jahrhunderte lang warten, bevor ihnen Orgelklänge die Gottesdienste verschönten.
Es muss vor 1741 eine Orgel gegeben haben
Wann zum ersten Male eine Orgel in der Kreuzherrenkirche erklang, werden wir (wahrscheinlich) nie erfahren. Traut man einer eingeritzten Jahreszahl, dann ist 1604 sicher. Es sei denn, man "importierte" gebrauchte Orgelteile nach Brüggen, wofür es aber keine Anzeichen gibt. In der Reihe der Traversflöten der heute zu hörenden Orgel stellt eine cis'‑Pfeife, die von 1604 stammt und später restauriert worden sein muss. Als einzig bis jetzt Übriggebliebene tat sie schon vor 1741 Dienst in der Orgel von St. Nikolaus.
Henricus Titz (1741 und 1757/59)
1741 konnte dann am westlichen Ende der Kreuzherrenkirche eine entweder umgebaute oder erweiterte Orgel erklingen, deren Innenwerk aus reinem Blei bestand. Sie war das Werk von Henricus Titz. Überhaupt hat es den Anschein, als sei die Orgel zwar vielfachumgearbeitet, nie jedoch komplett durch eine neue ersetzt worden.
Der "neuen" Orgel war nur ein Jahrzehnt vergönnt. In den frühen Morgenstunden des 26.04.1751 brannte die Kirche. Vermutlich auf den nördlich der Kirche gelegenen Parzellen hatte es zu brennen begonnen, das Feuer fraß sich dann weiter nach Osten. Die von Norden und Osten einwirkende Strahlungshitze setzte das Holzwerk der Kirche in Brand. Die Außenwände blieben stehen, der Dachstuhl verbrannte, das gotische Deckengewölbe muss eingestürzt sein. Der hölzerne Altar im Osten des Kirchenschiffs scheint dem Feuer zum Opfer gefallen zu sein: bei der am westlichen Ende des Kirchenschiffes stehenden Orgel zerstörte der Brand die hölzernen Teile. Der Kreuzherren‑Konvent stand ohne Kirche da,
Natürlich musste zuerst der Baukörper der Kirche wieder hergerichtet werden. Ab 17.10.1756 konnten die Kreuzherren in ihrer Kirche wieder die hl. Messe lesen, allerdings noch ohne Orgelklang. Für die Wiederherstellung des Instrumentes wandte man sich an den Mann, der 1741 die Orgel gestaltet hatte, Henricus Titz. Gemeinsam mit einem Gesellen reparierte er zwischen 1757 und 1759 während 134 Arbeitstagen, was der Brand übriggelassen hatte. Titz konnte Pfeifen verwenden, die bereits vor dem Brand installiert waren, musste sie aber teilweisesanieren. Die Station in Brüggen hat zu den letzten Arbeiten von Henricus Titz gehört. Am 04.05.1759 starb er.
Joan Theodor Gilman (1780)
Im Sommer 1778 begann Schriftverkehr mit einem neuen Orgelbauer, nämlich Joan Theodor Gilman aus Kornelimünster. Mit ihm hatten die Venloer Kreuzherren schon 1770 gute Erfahrungen gemacht.
Unklar ist, warum nur knappe zwei Jahrzehnte nach der Wiederherstellung eine "neue" Orgel angestrebt wurde. Als Johann Theodor Gilman 1780 zu Werke ging, verwendete er Teile der Titz‑Orgel weiter. Ob Gilman einen Neubau, einen Umbau oder eine Erweiterung der Orgel durchführte, darüber mag man heute streiten.
Austausch von Orgel und Altar
Wann man die traditionelle Ostung des Altars aufgab und die Standorte von Altar und Orgel austauschte, ist nicht durch Dokumente belegt. In der Literatur gibt es mehrfach die Annahme, den Tausch zwischen Orgel und Altar habe man nach dem Brand von 1751 vorgenommen. Vermutlich wird es tatsächlich so gewesen sein. Ein Bilddokument dazu stammt aber erst von 1934.
Zwei Änderungen von 1895
Für 1895 gibt es Nachrichten über zwei Änderungen, nämlich
• Erneuerung der Orgel (womit wohl ein im Detail unbekannter Eingriff in das Instrument zu verstehen sein wird),
• Vorschieben der Orgelbühne um zwei Meter (man verlängerte das Podest um zwei Meter nach Westen hin).
Veränderungen 1932/33
1932/33 gab es so erhebliche Veränderungen, dass man eher von einem radikalen Umbau denn von einer Reparatur hätte reden sollen, ausgeführt vom Kevelaer Orgelbauer Ernst Seifert. Ein freistehender elektrischer Spieltisch ersetzte den in die Hinterwand eingebauten mechanischen Spieltisch. Die Klaviatur der Manuale wurde erweitert, alle Pfeifen wurden um zwei Halbtöne erhöht, was die Klangfarbeänderte. Um nur einige der Veränderungen zu nennen, die sämtliche Bauteilebetrafen. Aus heutiger Sicht ist es erstaunlich, dass man solche Deformationen gegen Pfarrer Röttgen durchsetzen konnte, der ein Gespür für Überliefertes besaß und selber Orgel spielen konnte.
Überholung 1968
Mitte der 1960er Jahre gab es groß angelegte Umbauarbeiten in der Kreuzherrenkirche. Man erweiterte sie nicht nur nach Westen hin um den Chor, nach Süden hin kam ein Teil des alten Konvents zu der zu klein gewordenen Kirche. Unter diesen Bauarbeiten litt die Orgel zwar nur mittelbar, aber doch so erheblich, dass sie 1968 überholt werden musste.
Die Restaurierung 1981/84
Die vorerst letzten Arbeiten an der Orgel in der Kreuzherrenkirche liegen jetzt knapp 40 Jahre zurück. Die Firma Gebr. Stockmann, Werl/Westfalen, restaurierte die Orgel zwischen 1981 und 1984. Dabei wurde die Mechanik auf den Ursprungzurückgeführt, d.h. Veränderungen aus der Erneuerung von 1932/33 rückgängig gemacht.
Di s p o s i t i o n
der Orgel in St. Nikolaus, Brüggen
I. Manual, Positiv, C D – c’’’ [Praestant 4’ ● Bourbon 8’ ●Octave 2’ ● Flut 4’ – Ged. Fl. ● Flut traver 8’ ab c’ ●Crumhorn 8’ ● Nazar 3’ = 2 2/3’ ●Mixtur 1’ 3fach ●Vox humana 8’] ●
II. Manual, Oberwerk, C D – c’’’ [Cornett 4fach Disk. c’ ● Praestant 8’ Prosekt ●Bourdon 8’ ● Octave 4’ ●Flut 4’ = Rohrflöte ●Superoctave 2’ ● Nazar 3’ = 2 2/3’ ● Gembshorn 2’ ●Tertia 13/5’ ● Sesquialtera 3’ 2fach ● Mixtur 1’ 4fach ●Trompete 8’]
●Koppeltritte: I/II, I/P, II/P.
●Pedalwerk, C – f’ [Subbass 16’ ● Principalbass 8’ ●Flötenbass 8’ ● Octavbass 4’ ● Fagott 16’]